| Antrag: Verpflichtende Teilnahme an Sprachförderung für Kinder ab vier Jahre außer-halb von Kindertagesstätten
Der Rat der Stadt Hagen hat mit der Verabschiedung des Haushalts 2022/2023 in seiner Sitzung am 31.03.2022 einstimmig beschlossen:
- Die Verwaltung wird beauftragt, 200.000 € für den städtischen Eigenanteil an Förderprojekten in den Bereichen „Sprachförderung“ (140.000 €) und „Präsenz im Quartier“ (60.000 €) in den Haushalt einzustellen und passende Förderprogramme von EU, Bund und Land heranzuziehen.
- Sollten sich zeitnah keine entsprechenden Förderprojekte heranziehen lassen, kann mit der Gesamtsumme auch ein Pilotprojekt in den genannten Bereichen auf den Weg gebracht werden.
- Die Verwaltung ist angehalten, für den Doppelhaushalt 2024/2025 darzustellen, wie die angestoßenen Projekte bei entsprechendem Erfolg mit eigenen Mitteln und ggf. mit passenden Fördermöglichkeiten fortgesetzt bzw. ausgeweitet werden können.
Mit dem nun vorliegenden Beschlussvorschlag konkretisieren die Antragsteller den inhaltlichen Rahmen für das Förderprojekt.
Die Antragsteller sehen in mindestens ausreichenden Sprachkenntnissen in deutscher Sprache die wichtigste Voraussetzung für eine gelingende Bildungsbiographie. Gerade für Kinder ist ein schneller Spracherwerb doppelt wichtig, da sie ohne ausreichende Deutschkenntnisse dem Unterricht in der Schule nicht oder nur schwer folgen können.
Fehlende Sprachkenntnisse führen bei Kindern sehr schnell zu erheblichen Kenntnis- und Bildungslücken und belasten deren Bildungsbiographie meist nachhaltig. Wertvolle Begabungen bleiben so möglicherweise unentdeckt und unentwickelt. Die Folgen daraus wirken auf diese Weise ein ganzes Leben lang fort.
Bei einer wachsenden Anzahl von Kindern und Jugendlichen sind aus unterschiedlichen Gründen, z.B. Flucht aus Kriegsgebieten u.ä., vermehrt Sprachdefizite festzustellen. Diesem Umstand gilt es, mit geeigneten Instrumenten entgegen zu treten. Sprachfördermaßnahmen sind die geeignetsten Instrumente auf diesem Weg.
Um Kinder vor einer Abwärtsspirale durch mangelnde Sprachkenntnisse zu bewahren, müssen wir ihnen ein niederschwelliges Angebot unterbreiten.
Bildungsaffine Familien nehmen solche Förderungen generell selbstverständlich an und stellen kein Problem dar. Anders verhält es sich bei Familien, die Bildungsangebote für ihre Kinder nicht annehmen – und ihre Kinder auch nicht dazu ermutigen. Hier bedarf es einer Verpflichtung, um Kinder bestmöglich zu fördern. Deshalb sollen die Sprachkurse verpflichtend angeboten werden.
Kinder in diesem Alter können selbst nicht ermessen, wie wichtig der Spracherwerb für sie und ihre Entwicklung sein wird. Darüber hinaus können sie auch nicht selbst entscheiden, ob sie diese Angebote annehmen oder nicht. Fehlt den Eltern die entsprechende Orientierung, muss die Verpflichtung dieses Vakuum füllen.
Die Bedeutung der Sprachentwicklung ist im Schulgesetz NRW verankert. Deshalb sieht auch das Schulgesetz NRW verpflichtende Sprachförderkurse für Vorschulkinder vor.
Praktisch umgesetzt wird die Landesregelung in Hagen wie folgt:
„Das Schulamt stellt zwei Jahre vor der Einschulung fest, ob die Sprachentwicklung der Kinder altersgemäß ist und ob sie die deutsche Sprache hinreichend beherrschen. Beherrscht ein Kind nach der Feststellung die deutsche Sprache nicht hinreichend und wird es nicht nachweislich in einer Tageseinrichtung sprachlich gefördert, soll das Schulamt das Kind verpflichten, an einem vorschulischen Sprachförderkurs teilzunehmen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass jedes Kind vom Beginn des Schulbesuchs an dem Unterricht folgen und sich daran beteiligen kann (§ 36 (2) Schulgesetz NRW).“
Die Verwaltung stellt in einer Stellungnahme weiter fest:
„Sämtliche Kinder ab vier Jahren, bei denen im Rahmen der Testung durch das Schulamt festgestellt wurde, dass sie die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrschen und keine Kindertagesstätten besuchen, werden zu verbindlichen Sprachförderangeboten eingeladen.“
Diese Formulierungen sind den Antragstellern nicht verbindlich genug. Stattdessen legen die Antragsteller Wert darauf, dass der Grad der Verbindlichkeit dem Grad der Bedeutung des Spracherwerbs angepasst und gerecht wird.
Der von den Antragstellern formulierte Zeithorizont dient dazu, den Erfolg der eigenen Bemühungen quantitativ messbar zu machen.
Sollten für diesen Doppelhaushalt 2022/2023 keine Fördermittel einzuwerben sein, soll in den kommenden Haushalt 2024/2025 ein Betrag von 1.300.000 Euro neu eingestellt werden.
Die Antragsteller sehen in diesem Vorgehen eine Unterstützung für gelingende Bildungsbiographien. Darüber hinaus führt die hier formulierte Praxis zu verlässlicheren Daten für die bedarfsgerechte Planung von Kitas, Schul- und Ganztagsbetreuungseinrichtungen.
Die Fraktionen von CDU, Bündnis90 / Die Grünen und Hagen Aktiv sowie die FDP-Ratsgruppe stellen daher folgenden Antrag zur Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 15.06.2022 und die Sitzung des Schulausschusses am 14.05.2022:
Die Verwaltung wird beauftragt, …
- … für Kinder außerhalb von Kindertagesstätten ein tragfähiges und nachhaltig umsetzungsfähiges Konzept zur Einwerbung von Fördermitteln zu entwickeln, das für alle Kinder mit Sprachdefiziten in der deutschen Sprache ab einem Alter von vier Jahren verpflichtende und ausreichend zeitliche dimensionierte sowie sozialraumnahe niederschwellige Sprachkurse vorsieht. Dabei sind vor allem die Kinder zu berücksichtigen, die bisher eine ein- bis zweistündige Förderung in der Woche erhalten und nicht in einer Kita angemeldet sind.
Ziel ist es, allen Kindern bis zur Einschulung ausreichende Sprachkenntnisse und altersgerechte Sozialkompetenz zu vermitteln, damit sie dem Unterricht in der Grundschule folgen und sich leichter integrieren können. Idealerweise sorgt dafür eine verpflichtende und bedarfsgerechte Sprachförderung, die das derzeitige Angebot deutlich ausweitet auf bis zu 20 Stunden pro Woche. Die Stundenzahl sowie deren Verteilung richtet sich nach der konkreten Ausgestaltung und den Volumina der Förderprogramme.
- Dabei ist sicherzustellen, dass alle neu in Hagen ankommenden Kinder im Alter ab vier Jahren binnen vier Wochen nach Eintrag im Einwohnermelderegister zur Teilnahme an einem verbindlichen Sprachtest aufgefordert werden. Dieser Sprachtest findet spätestens drei Monate nach Eintrag im Einwohnermelderegister statt. Spätestens ein Monat danach soll das Kind einen sozialraumnahen Platz in einem verpflichtenden Sprachkurs erhalten und wahrnehmen.
- Der § 126 (3) SchulG NRW wird bei unentschuldigter Nichtteilnahme am Sprachtest/Sprachkurs angewendet.
- Kinder, die nach einem erneuten Test die erforderlichen Sprachkenntnisse nachweisen, sind dann wieder von der Verpflichtung befreit.
- … auf Basis dieses Beschlusses Kontakt mit den Verwaltungen der EU, des Bundes- sowie des Landes Nordrhein-Westfalen aufzunehmen, um spezifische Fördermittel für diesen Leistungsumfang einzuwerben.
- Die Umsetzung des Konzepts steht unter dem Vorbehalt entsprechender Fördermittel.
- Für den Eigenanteil sind bereits Mittel im Umfang von 140.000 Euro im Haushalt 2022/2023 eingestellt.
- … für die Gremienrunde im September 2022 eine beschlussreife Vorlage vorzulegen.